im Interview: Anja Bagus zu „Mission Hoffnung“

Eigentlich hätte es ja eine Rezension von Anja Bagus neuem Roman „Mission Hoffnung“, erschienen in O’Connell Press Verlag, werden sollen, aber dann konnte ich es doch nicht lassen, seit längerer Zeit mal wieder, ein Interview zu führen. Nun ich denke, es hat sich gelohnt.

Markus Gersting: Hallo Anja, vielen Dank, dass du dich von mir interviewen lässt. Anlass ist ja das passend zum BB E-Book Event 2015 herausgekommen E-Book „Mission Hoffnung“, freust du dich schon auf deine Lesung in der virtuellen Welt?

Anja Bagus: Mit dem Küper zu lesen ist immer ein Genuss. Ich lese sehr gerne in Second Life.

Markus Gersting: Du hast ja nun auch schon eine ganze Reihe von Lesungen im „RL“ hinter dir, was würdest du sagen ist das, was so eine virtuelle Lesung einer realen voraushat?

Anja Bagus: Dass ich keine Schminke auflegen muss. Ich vertrage Wimperntusche nur sehr schlecht …

Markus Gersting: Und man kann in Pölter lesen – Deine Outfits im realen Leben sind ja doch schon aufwendig, was aber wohl auch eine der besonderen Reize am Genre Steampunk sein dürfte, oder?

Anja Bagus: Ja. Wobei bei mir im Vordergrund steht, dass so etwas auch „bequem“ sein muss.

Also manche behaupten, das wäre mein wahres ICH und das andere, was hier so am Rechner schlonzt … das wäre nur meine Schattenexistenz.

Markus Gersting: hm ja, jeder Mensch hat da wohl mehrere Ebenen und/oder Rollen, die er da spielt. Was würdes du sagen, macht das Genre Steampunk noch so aus und wie kam es zu der Idee einen Ausflug in die klassische SF zu unternehmen?

Anja Bagus: Steampunk … also schreibtechnisch ist es halt grandios. Ich kann sowohl Abenteuer als auch Krimi schreiben. Ich kann Romantik und Historisierendes mit reinbringen und Luftschiffe!

Steampunk bietet mir viele Möglichkeiten. Es ist allerdings auch ein recht junges Genre, was es mir bei der Vermarktung schwer macht ganz anders jetzt bei der SF Story

SF ist ein „altes“ Genre und die Leute waren neugierig – ich war selbst wahnsinnig überrascht, wie oft es gekauft wurde. Also wirklich gekauft. Das macht mir natürlich Lust darauf, mehr Ausflüge zu unternehmen.

Aber ich muss auch erst mal schauen, wie das, was ich da geschrieben habe, aufgenommen wird, wenn die, die gekauft haben, ihre Meinungen sagen.
 
Markus Gersting: Ich muss gestehen, ich war natürlich auch neugierig und habe es schon gelesen. Es erinnert mich etwas an die großen Frauen der SF wie z.B. Ursula Le Guin und MZB. Es ist sehr persönlich/intim und legt den Fokus sehr auf das Innenleben der Hauptcharaktärin und ihrer Interaktion mit ihrem Umfeld. Also nicht das was man so von der normalen SF erwarten würde.

Was würdest du sagen ist die Message hinter dem Roman?

Anja Bagus: Lach … Message. Ich bin erst mal unfassbar geschmeichelt …

Also Grundlage war ja die Kurzgeschichte, die jetzt der erste Teil des Romans ist. In der Kurzgeschichte ging es um „Exotische Welten“. Ich dachte mir …, es gibt auf der Erde keine weißen Flecken mehr (also kaum) und was würde man in der Zukunft machen … Exotisch .. also forschen … also Weltraum .. aber warum? Naja und dann führte eins zum anderen.

Ich selbst bin ein Riesenfan von Lem. Lem hat es geschafft, die Faszination am wirklich anderen/außerirdischen zu belassen. Er erklärt eben nicht alles. Und daher wollte ich auch ein Rätsel schaffen: Am Ende des ersten Teils gibt es daher einen Cliffhanger. Da die Verleger aber nicht zufrieden waren, sie wollten mehr, habe ich also weitergedacht.

Da kommt dann mein zweites Vorbild ins Spiel: Carl Sagan. Ich liebe den Roman Contact, der beschreibt, wie es in der Welt rundgeht, nachdem man Beweise für außerirdische Leben gefunden hat. So etwas ähnliches wollte ich schaffen.

Und dann kam … der Herr von Däniken, der ja auch gerade Geburtstag hatte, und ich weiß noch, wie wir nächtelang diskutiert haben.

All das … und meine Vorliebe für die indianischen Kulturen und … Mischmasch

Was war die Frage? Ah Message: ja, ich bin ein wenig enttäuscht von den Menschen so wie ich es im Buch sage: Wir könnten das alles besser.

Aber vielleicht wäre dazu wirklich ein Neuanfang nötig. Einmal Reset drücken –  das ist die Botschaft.

Ach so, und dann gibt es noch eine, auf der Ebene der Charaktere. Die wäre: Nur wenn man sich wirklich aufeinander einlässt, kann es was werden. Halbherzige Beziehungen taugen nichts.

Das wars jetzt aber.

Markus Gersting: He, he, die Frage nach den literarischen Vorbildern hast du ja jetzt schon beantwortet.

Ja, ein ernstes Thema: es läuft nicht alles so, wie es sollte. Ich hoffe ich spoilere jetzt nicht zu viel, aber selbst ein Reset scheint keine dauerhafte Lösung zu sein.

(Zu den Rollen von Mann und Frau oder Frau und Mann würde ich vielleicht nachher noch etwas fragen.)

Erich v. Däniken ist ja jetzt nicht wirklich unumstritten – ich habe da so meine Probleme damit, diese als eine Art von Göttern anzusehen und ihnen dann nur den helfenden Aspekt zu zusprechen. Ich denke, auch Außerirdische werden ihre Schattenseiten haben und ihre dunklen selbstsüchtigen Gedanken.

Wie siehst du das?

Anja Bagus: Ich deute das ja an. Also erstens laviere ich mich ja drum herum, was die Aliens genau sind. Sie sind viele in einem oder so.

Aber sie sind auch nicht allein. Es gibt mindestens noch eine Instanz über ihnen und ich glaube, dass man das überhaupt nicht sagen kann. Also selbstsüchtig oder so, weil: Ich glaube, dass ein außerirdisches Leben zu fremdartig sein wird.

Das hat mich an Lem fasziniert: Er erklärt nicht. Seine Figuren erleben nur, sie sehen das alles, und es gibt keine Lösungen.

Auch z.B. der Cthulhu Mythos ist so: Wer will denn sagen, was so ein Cthulhu denkt??? Wie fremdartig ist sein Erleben und damit seine Ziele? Wir sind doch nicht im StarTrek Universum, wo alle Aliens immer nett „verständlich“ sind.

Es gibt da nur eine tolle Folge, wo Picard … aber das führt jetzt zu weit.

Nein, ich glaube, dass Aliens ihre eigenen Ziele haben, aber verstehen … und vergleichen könnten wir uns nicht.

Markus Gersting: Hm ich bin ja einen Tag vor dir auf dem BB E-Book Event mit meiner Geschichte dran und dort rücken die Außerirdischen mit einer ähnlichen Zielsetzung an, allerdings mit – im übertragenen Sinne – brennenden Fackeln und angespitzten Mistforken.

Aber das Element des netten väterlichen Außerirdischen kommt auch bei mir vor. Wobei es schon Spaß macht sich die Interaktion von Menschen mit fremdartigen Wesen vorzustellen.

Würdst du sagen das könnte man vielleicht als die jeweils weibliche und männliche Sicht auch eine Geschichte sehen?

Anja Bagus: Hm … also die Männer die Mistforken und die Frauen die Vaterfiguren? Ich weiß nicht …

Also, meine Außerirdischen haben ja ein Ziel und das kann genauso mistforkig sein, wie eine echte Zinkengabel. Oder auch nicht – ich lasse da einiges offen.

Aber, ja, Männer interessieren sich ja mehr für Technik und so. Das hab ich größtenteils rauslassen. Aber blutig geht es bei mir auch her

Markus Gersting:  Das kann ich bestätigen – war dir der Aspekt der mistforkenden Außerirdischen wichtiger oder die Interaktion der menschlichen Hauptpersonen untereinander, also deren Reaktion auf die Krise von außen?

Anja Bagus:  Interaktion – jeder hat Entscheidungen zu treffen und nicht nur für sich, sondern weitreichend. Letztlich ist da die Kulisse des Weltuntergangs nur Beiwerk.

Markus Gersting: Ah o. k. – ich hoffe, die nächste Frage ist nicht zu persönlich: Wenn man als Schriftsteller einen Charakter des anderen Geschlechts agieren lässt, ist das ja jetzt auf den ersten Blick nicht immer ganz einfach. Wie siehst du das? hast du da einen „Trick“?

Anja Bagus: Oh, kein Problem. Also wenn ich als Frau mich in einen Mann reinversetzen muss?

Markus Gersting: ja

Anja Bagus: Letztlich habe ich es da leichter als Männer. Frauen … sind komplizierter.Ich muss also eigentlich nur meine eigenen Reaktionen vereinfachen. Schlichter, weniger kompliziert.

Das hört sich gemein an, aber das ist der Vorteil des Mannes: Er kann fokussierter und konzentrierter sein. Zielstrebiger.. Frauen … ahhh, Hormone und so (das kommt ja in Maria gut zum Ausdruck).

Bruno hat eine sehr feste Vorstellung von den Dingen und ist eigentlich kein schwieriger Mensch. Er lebt nur zur falschen Zeit . Und wenn ich Zweifel habe, wie er reagieren würde, dann frag ich meinen Mann.

Markus Gersting: Ah, o.K. Wie gelungen hältst du die Versuche der männlichen Kollegen im umgekehrten Falle, also die Schilderung der Frau durch einen Mann? (Wobei es da wahrscheinlich eine gewaltige Bandbreite geben dürfte).

Anja Bagus: Ahhh, schwierig.

Das ist ja auch eine heftige Entscheidung, eine Frau so auftreten zu lassen – heutzutage müssen Frauen in den Fantasy Dingern immer tough sein. Die müssen alles können … aber letztlich ordnen sie sich dem Männchen dann doch unter.

Ich würde mal sagen, gerade die SF ist doch männerzentriert. Also wenn ich nachdenke, dann machen die Männer das nicht schlecht. Wenn es nur um Action und so geht, ist das doch auch völlig in Ordnung.

Meine erste Rezension war von einem Mann, der sehr genervt war von Maria. Kann ich verstehen. Seltsamerweise ist die Rezension verschwunden, obwohl ich sie interessant fand. Sie zeigte mir, dass der Mensch seinen Fokus woanders hatte, und ich vielleicht anecke, dadurch, dass ich so tief in das Gefühlsleben von Maria blicken lasse.

Ich will nicht behaupten, alle Frauen ticken wie Maria, aber … das kann schon mal passieren. Und dann kann auch schonmal zickige Unentschlossenheit geschehen. Dass das den männlichen Leser nervt, versteh ich, aber es ist ja nicht alleinig ein Buch über Marias Innenleben.

Markus Gersting:  Ja es gibt dann da doch noch die toughe Frau, die aber in deinem Buch kein Hauptcharakter ist, gleichwohl eine wichtige Rolle spielt. Nun ich fad diese Perspektive ungewöhnlich, aber dann doch sehr lehrreich und interessant

Anja Bagus:  Ava?

Markus Gersting: ja.

Anja Bagus: Ja, Ava Webster ist halt die andere Seite. Sie ist, wie viele Frauen in der Zukunft sein könnten, also in dieser „meiner“ Zukunft. Frauen, die ihre Managmentfunktionen wahrnehmen. Die Macht bekommen haben und Macht ausüben möchten

Ava an sich ist ja auch nicht „böse“. War es in einem James Bond Film, oder woanders? Grübel – egal, ich hab mal gelesen oder gesehen, dass jemand sich Frauen als Leibwächterinnen nimmt, weil sie sehr viel grausamer sein können, in der Verteidigung, als Männer.So von wegen: Kämpft wie eine Löwin um ihren Nachwuchs.

Ava ist Politikerin, Netzwerkerin, per se ein ganz anderer Typ, als die eher schlichte Maria (die ja ihren Beruf gewählt hat, weil sie der Erde entfliehen will, weil sie eher Wissenschaftlerin als soziales Chamäleon ist).

Ava tat mir zwischendurch leid, aber sie ist ein wichtiger Charakter.

Markus Gersting: Nun sie hat keinen leichten Job. Es stehen schwierige Entscheidungen an …

Anja Bagus:  Was Ava repräsentiert rührt auch von meinem allerallerersten SciFi her, den ich las. Es war noch ein Schneider-Buch. Haha, es hieß: unheimliche Begegnung mit der dritten Art. Und da es ein Sammelband war, gab es die vierte und fünfte Art mit dazu.

Das hat mich in puncto: Wie gehen Menschen mit so etwas um, nachhaltig geprägt. Und im Psychologiestudium habe ich nichts anderes gelernt. Der Mensch ist territorial. Er wird immer mit Aggression reagieren, wenn man in sein Reich einfällt.

Markus Gersting: Hm ja das ist nicht von der Hand zu weisen. Nun ich bin auf die Lesung am 25. April ab 20 Uhr gespannt.

Anja Bagus: Ich auch

Markus Gersting: Hast du noch eine Botschaft an die Zuhörer? Was würdest du dir unbedingt für eine Frage aus dem Publikum wünschen?

Anja Bagus: Pfff … da fällt mir nichts ein. Ich fand aber deine Fragen schon hochinteressant.

Markus Gersting: Nun ich danke dir für deine ausführlichen Antworten. So ich glaube, das sollte fürs Interview reichen – Danke für deine Geduld und Ausdauer.

Anja Bagus: Gerne! Danke dir!

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