Gelesen: John Barnes „Eine Million offener Tore“

Zugegeben das Buch ist schon etwas älter, von 1996, um genau zu sein und ich habe es schon ein paar Mal gelesen. Nicht oft aber ab und zu, lohnt es sich, einen Blick ins eigene Bücherregal zu werfen und mal einem der Werke aus der eigenen Bibliothek einen erneuten Besuch abzustatten.

Es liebt noch einiges auf den Stapeln der ungelesenen und angefangenen Bücher, aber beim Umsortieren meines Bücherregals ist mir das Buch in die Hände gefallen und hat Erinnerungen geweckt. Es hat seine Ecken und Kanten, aber vielleicht war es genau dieses Buch, das mich dazu ermutigt hat das heimische Ostwestfalen zu verlassen und an den südlichsten Rand der Republik zu ziehen um dort einen neuen Job anzunehmen. Wer weiß?

Worum geht es in dem Roman?

Wir erleben die Geschichte aus der Perspektive des Ich-Erzählers Giraut Leones, eines Jovent von Planeten Wilson. Unter dem roten Leuchten des Muttergestirns Arcturus hat sich eine künstlich erzeugte Mantel- und Degen-Gesellschaft angesiedelt, die Kunst, Kultur, Wein, Weib und Gesang frönt. Zumindest ihn ihren jungen Flegeljahren. Das geht soweit, dass die Frauen ihren Platz als möglichst repräsentative Staffage in Form einer Donzelha zu finden haben. Duelle und Raufereien gehören zum guten Ton und so kommt es, dass der ein oder andere dann auch mal nicht wiedererweckt werden kann.

Was als interessante Staffage beginnt, wandelt sich dann in eine ganz andere Geschichte, als einer von Giraunts Freunden der schon etwas ältere und zugewanderte Aimeric auf eine interstellare Mission als Diplomat in seine ursprüngliche Heimat entsandt wird. Giraunt schließt sich schießlich aus verletztem Stolz der Mission an, als er erkennt, das seine eigene Herzensdame zu den Interstellaren übergelaufen ist.

In Aimerics Heimat Kaledonien stehen durch die bevorstehende Öffnung des interstellaren Sprungtorverkehrs gravierende Umstellungen in der dortigen puritanisch-mathematischen Gesellschaft bevor. Hier prallen dann okzitanische Galanterie und Großzügigkeit auf eine feinst austarierte Theokratie, die glaubt durch eine feinstgraduierte Marktökonomie Rationalität und Glück erzwingen zu können. So skurril sich das anhört, es macht Spaß mit zubekommen, wie sich das System mit Finesse und Geschick austricksen lässt und Giraunt den Einheimischen seine Kultur näher bringt, während er die ihre kennenlernt.

Um dem Ganzen mehr Würze zu verleihen, kommt es zu einem Putsch besonders verbohrter religiöser Fanatiker, die das System übernehmen. Mit viel Glück und Rückhalt der übergeordneten interstellaren Behörden geht die Truppe irrationaler Romantiker dagegen an.
Diese Geschichte ist also atmosphärisch, phantastisch, faszinierend und spannend. Manchmal wirkt es durch den degenschwingenden Erzähler in der ersten Person doch etwas übertrieben skurril, aber trotz einiger, etwas prüder Anwandlungen und unsympathischer Herabsetzungen, macht es Spaß, dem leichtfüßigen Helden durch dieses Abenteuer zu folgen. Auch und gerade, weil es einige Beteiligte dann realistischerweise hart trifft. Das steht dann schon einen harten und manchmal herben Kontrast zur leichtfüßigen Prahlerei des Helden.

Was man dem Roman vielleicht noch ankreiden könnte, ist das Fehlern aller anderen offenen Tore, die in dem Roman eindeutig etwas zu kurz kommen. Es gibt ein paar Erwähnungen, aber richtiges Multikulti Flair kommt nicht auf. Was auf der einen Seite schade ist und etwas nach Etikettenschwindel riecht, erlaubt auf der anderen Seite eine rasante Geschichte die sich auf das Wesentliche konzertiert, durchaus ihre Momente hat und ganz ihrem Erzähler treu bleibt.

In Summe, ein gut unterhaltender Roman mit einigen schön ausgearbeiteten SF-Elementen, der aber noch etwas Luft für mehr Tiefe und Facettenreichtum hätte.

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