Schreiben ist Schreiben und … : Der Schriftstellerführerschein

Wie komme ich jetzt auf die Überschrift? Wie immer, wenn man keine gute, kurze Antwort auf den Lippen hat, sagt man: Gute Frage!

Ein Anlass war vielleicht der launige Artikel von Tom Hillenbrand: Lassen Sie mich durch, ich bin Schriftsteller. Ja launig, aber zum Schluss will man doch rufen: „Lieber Herr Chirurg, wenn es ihnen ernst ist, schreiben Sie ihren Roman, Ihre Geschichte.“

Warum?

Darum. Manche Geschichten wollen oder sollten erzählt werden. Und mal ehrlich? Niemand wird sterben wenn ihr Buch dann doch nichts taugen sollte. Das führt uns gleich zur nächsten Frage: Kann man vom Leute aufschneiden leben? Nun, wenn man ins Genre der Berufsmörder wechseln möchte, bestimmt!

Aufschneiden wird wohl nicht das Problem sein, zunähen und den Patienten nachher überleben lassen schon. Es hat einen Grund warum Ärzte das studieren und man nicht sofort mit einem Skalpel auf die Menschheit losgelassen wird.

Nun beim Schreiben ist die Situation anders. Niemand ist in dem Bereich so vollkommen unvorbereitet, schließlich hat fast jeder das Lesen und Schreiben in der Institution gelernt, die sich Schule nennt. Also aufschnippeln und zunähen klappt schon mal.

So jetzt muss der Patient, die Geschichte, die ganze Prozedur nur noch überleben. Und genau das lernt man eben nicht in der Schule. Wenn ich mal an meine Schulzeit zurückdenke, dann habe ich im Lateinunterricht mehr über Deutsch gelernt, als im Deutschunterricht. Oder sagen wir es mal so, ich habe plötzlich verstanden, was der gute Mensch da vorne mir erzählen möchte. Gut, ganz umsonst wird es wohl schon nicht gewesen sein, aber ganz ohne Eigeninitiative wird es nichts mit dem Selberschreiben.

Warum eigentlich?

Es gehört noch einiges mehr an Handwerk zum Schreiben eines Romans, als das was man so allgemein in der Schule beigebracht bekommt. Vielleicht bin ich jetzt unfair, denn ich beziehe mich jetzt auf meine persönlich gemachten Erfahrungen und die liegen schon eine ganze Weile zurück. Aber wenn man sich mit dem Schreiben und dem Veröffentlichen beschäftigt, stößt man doch auf eine äußerst merkwürdige Einstellung zum Thema Schreiben lernen. Verallgemeinert beschrieben lautet die in etwa:

„Schreiben ist angeboren und kann man es nicht lernen. Entweder man hat es oder nicht.“

Echt, wirklich? Goethe und Thomas Mann sind einfach so mit der Feder in der Hand aus dem Ei geschlüpft und waren sofort große Schriftsteller? Ich denke nicht, Tim! Auch jene werden, wie jeder andere Mensch auch, das Schreiben erst gelernt haben müssen. Gut, ich war jetzt nicht persönlich anwesend, aber mir ist bisher noch kein Fall bekannt in dem irgend ein Mensch sofort lesen und schreiben konnte, ohne es vorher gelernt zu haben.

Der große Fehler in dieser Diskussion ist schon mal, das eigentlich das falsche Wort für die Tätigkeit verwendet wird. Denn, was man wirklich bei der Erstellung eines Buchmanuskriptes tut, ist eine Geschichte erzählen. Das man es einem Blatt Papier oder einen Schreibprogramm erzählt, tut eigentlich nichts zur Sache. Man könnte es genauso gut einem Menschen erzählen und dabei ein Aufnahmegerät laufen lassen. Die Tätigkeit des Schreibens ist dabei eigentlich nur ein sekundärer Vorgang. Es ist bloßes Auf-Schreiben. Was wirklich zählt ist die Geschichte selbst, das sind die Charaktere und das Umfeld der Geschichte.

Und da kommen wir schon dem Kern des Problems näher, denn eine gute Geschichte erzählen, das kann wirklich nicht jeder. Ob man das lernen kann? Ob es jeder lernen kann? Vielleicht nicht, aber man kann es zumindest versuchen.

Was hilft ist vielleicht sich an die Geschichten zurück erinnern, die man selbst geliebt hat. Und die dann einfach mal in eigenen Worten nacherzählen. Eine Nacherzählung? Verdammt, ich habe es doch in der Schule gelernt!

Na ja, fast. Was bei mir wirklich geholfen hat, ein Manuskript zu erstellen, die Geschichte zu Ende zu erzählen, war auch nicht der Frey. Nicht falsch verstehen, der Frey war ein guter Einstieg, aber auch nicht der eigentliche Durchbruch. Der eigentliche Durchbruch war: ich WILL jetzt die Geschichte erzählen. Ob das jetzt gelungen ist oder nicht, mag jeder für sich selbst entscheiden. Schreiben ist wie eine Fremdsprache lernen. Grundlagen sind gut und wichtig, aber den eigentlichen Durchbruch erlebt man erst wenn man es wirklich selbst tut. Es ist der Moment in dem man sich bewusst wird, das man gerade in einer fremden Sprache gedacht hat.

Das Einlassen, das Tun ist wichtig.

Wie kriege ich jetzt den Bogen zum Schriftstellerführerschein? Man sollte vielleicht etwas früher mit dem Erlernen des Genschichtenerzählens anfangen. Vielleicht bekommt man damit die Leute, die im normalen Deutschunterricht untergehen. Ein Zettel, auf dem steht das man etwas kann ist, zumindest in Deutschland, eine ganze Menge wert. Wenn man einen Führerschein hat, fragt einem auch keiner mehr, ob man den Autofahren kann. Die Fahrkünste sind vielleicht nicht besonders gut und ob man vom Autofahren leben kann, steht auch auf einem anderen Blatt, aber die grundsätzliche Fähigkeit ist schon mal nachgewiesen.

Es wird jetzt nicht jeder ein Walter Röhrl oder ein Michael Schuhmacher, aber man bleibt zumindest auf der Straße. Meistens jedenfalls.

Was nach der Fertigstellung des Manuskript kommt, ist eine andere Geschichte, dazu vielleicht später mehr …

Als kleines Schmankerl bis dahin sollte man sich diesen Artikel gönnen. Zum Schluss aber doch noch ein gut gemeinter Rat: „Don’t give up your day job!“

Dieser Beitrag wurde unter Alternative Welten, Lesung/Literarisch, philosophisches, Real Life, Technisches veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.