Das FdL 2015, die Interviews danach: Bernar LeSton

Am Donnerstag hatte ich das Vergnügen Bernar LeSton bei mir in der Lounge der Hünen-Sphäre begrüßen zu können. Bernar ist eher jemand, der leise Töne anschlägt, aber es lohnt sich ihm zuzuhören. Heute ist genau passen dazu noch ein Live-Mitschnitt seiner eigenen FdL-Lesung online gegangen.

Hydors Golem: Ich freue mich, dass du dich von mir interviewen lässt.

Bernar LeSton: Aber immer gerne doch und danke, dass du mir diese Ehre zuteilwerden lässt.

Hydors Golem: Ich habe gehört du hast deinen Avatar extra deswegen nochmal deinem realen Aussehen angepasst?

Bernar LeSton: Ich habe befürchtet, dass du Fotos machst und ich dann immer noch, wie vor gefühlten 200 Jahren als Vampir rüberkomme.

Hydors Golem: Ah es ist ja halt schon wieder Halloween, aber dein neues Outfit kommt dem realen Vorbild schon mal sehr nahe.

Bernar LeSton: Dann komme ich damit langsam aber sicher auch immer besser zurecht.

Hydors Golem: Ja, du hast ja auf dem FdL 2015 schon eine Menge üben können. Du hast bei einigen Lesung mitgelesen – unter anderem bei meiner. Wie hat dir das FdL als Teilnehmer, aber auch als Zuhörer so gefallen?

Bernar LeSton: Ich mag Second Life schon seit meiner ersten Lesung, weil es vielen Menschen ermöglicht an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, die ihnen im realen Leben aus vielerlei Gründen nicht möglich wären. Wenn z.B. eine Behinderung oder Krankheit vorliegt oder man schlicht und ergreifend zu weit voneinander weg wohnt. Gehört hatte ich von Second Life – wie so viele andere Menschen auch – schon vor Jahren, aber es ergab sich nie, es mal auszuprobieren.

Hydors Golem: ja das ging mir sehr ähnlich. Die Lesungen waren auch bei mir der Grund dieses SL mal auszuprobieren.

Bernar LeSton: Interessant, wie sich manche Dinge doch ähneln. Aber um deine Frage mal kurz und knapp zu beantworten: Ich fand es wie immer großartig!

Hydors Golem: Ich denke, das wird die Veranstalter freuen 🙂 – Du machst ja auch einige Lesungen in RL, siehst du da Unterschiede bei den unterschiedlichen Lesungsformen?

Bernar LeSton: Na ja, im Prinzip ist ja sowieso jede Lesung anders – ganz eigen halt. So wie die Veranstalter, der Leseort und das Publikum. Aber gerade das macht es ja auch aus. Natürlich wirkt der reale Applaus bei den Lesungen ein wenig mehr auf den Lesenden, weil er direkt ins Ohr geht. Dafür erhält man weniger differenzierte Aussagen zu seinen Texten, als nach einer Lesung in Second Life. Viele schreiben noch etwas zum Applaus dazu, quasi ein Kürzest-Feedback.

Hydors Golem: Ja, das ist ein großer Unterschied zu einer RL-Lesung: Kommentare während der Lesung sind da nicht so üblich. Hast du das Chatfenster während der Lesung auf, oder würde dich das in der Konzentration auf den Text stören?
Da gibt es ja durch aus unterschiedliche Strategien bei den Autoren.

Bernar LeSton: Also ich für meinen Teil habe es die ganze Zeit offen und nehme sehr wohl Applaus und Lob zwischen den einzelnen Geschichten wahr – was im realen nicht immer vorkommt, weil die Zuhörer zumeist mehr auf Romanlesungen sind, wo erst am Ende geklatscht wird. Von daher genieße ich es und finde es wenig störend beim Lesen. Zudem ist man sowieso aufs Lesen fokussiert.

Hydors Golem: Ja das stimmt, ich habe am Anfang auch Thorstens IM Nachrichten komplett übersehen – wie bereitest du dich auf deine Lesungen vor? Bei deinen eigenen kennst du ja die Figuren, aber bei fremden Texten ist es da manchmal schwierig sich in die Figur/den Charakter hineinzufinden? Ich habe bemerkt, du machst dir im Vorfeld da intensiv Gedanken zur Figur.

Bernar LeSton: Dadurch, dass ich meine Texte ja mehrfach lese, schleift sich irgendwann das einfach von den Betonungen her glatt, sodass man sicherer wird und das hört man auch heraus. Das hilft einem aber auch bei fremden Texten. Und ich scheue mich auch nicht einen Kollegen, bei dem man mitlesen darf, zu fragen, wie die Figur angelegt ist. Das erleichtert es einem sich in die zu lesende Person hineinzuversetzen. Der wichtigste Aspekt ist auch hier: Viele Lesungen helfen viel.

Keiner kennt die Figur besser als der Autor, der sie erschaffen hat.

Hydors Golem: Ja man hat auf dem FdL bemerkt, das du da einiges an Übung hast.

Bernar LeSton: Was mich immer sehr fasziniert ist auch, wie ein anderer Autor, die eigene Figur lesend interpretiert. Das eröffnet einem manchesmal eine völlig neue Sichtwiese, sie zu lesen.

Naja, ich bemühe mich redlich und mag mich da gerne immer wieder verbessern, wenn möglich. Ich glaube, dass man auch hier irgendwann das Gefühl dafür bekommt, so ist es jetzt genau richtig, wie die Figur herüberkommt. Das gibt einem auch ein tolles Gefühl der Befriedigung.

Hydors Golem: Ja, jeder Leser sieht/interpretiert die Charaktere etwas anders, das machst es dann ungemein spannend über einzelne Figuren zu reden. Bei deiner Lesung habt mir die japanische Geschichte mit dem alten Fischereheleuten z.B. ausgesprochen gut gefallen. Wie entwickelst du diese Figuren beim Schreiben?

Bernar LeSton: Ich entzaubere da jetzt vielleicht den ein oder anderen Mythos übers Schreiben, aber ich schreibe aus der Lust heraus. Leider ungesteuert, was bedeutet, dass ich zumeist einen Satz im Kopf habe, aus dem sich dann, durch das Anfügen weiterer Sätze eine ganze Geschichte entspinnt. Diese schreibt sich dann wie von selbst herunter, weshalb ich kaum darauf achte, wie die Charaktere wirken könnten. Sie sind dann einfach da und es überrascht mich wohl selbst am meisten, was sich da dann immer so in meinem Kopf finden lässt.

Das Gegenstück dazu sind allerdings die Phasen, wo sich Ideen einfinden, die ich nicht schreiben kann, weil sie nicht so entstehen und dann für immer auf der Festplatte als Umriss oder unbeendetes Fragment liegen bleiben.

Hydors Golem: Deine Kreativität kommt also eher aus dem Unbewusten, du entdeckst die Geschichten eher, als das du sie planst?

Bernar LeSton: Haargenau, weshalb ich dem Schreibfluss immer sehr dankbar bin, wenn er sich einstellt, und ihm dann auch sehr gerne zu folgen bereit bin. Vielleicht tue ich mich deshalb mit dem inneren Kritiker nicht so schwer, wie viele Kollegen, die ich ihren Aussagen darüber zufolge nicht darum beneide.

Robert E. Howard (der Erfinder von Conan) sagte dazu mal, dass er das Gefühl hatte, dass Conan hinter ihm stand und zu ihm sagte, er solle seine Geschichten aufschreiben.

Hydors Golem: ja das Gefühl kenne ich, je besser man in die Geschichte kommt, desto mehr wird man vom Gestalter zum Chronist (der ab und zu mal etwas beim Schicksal nachhilft) – wie folgsam sind da deine Charaktere? Sträuben die sich manchmal?

Bernar LeSton: Hm, da sich meine Charaktere prinzipiell ja selbst schreiben, ist das schwer zu beantworten. Ich führe selten Rücksprache mit meinen Figuren und lasse sie zumeist tun, was sie wohl müssen. So entsteht die Handlung der Geschichte ganz oft aus ihren eigenen Antrieben heraus (eben dadurch, dass sie auf eine bestimmte Situation reagieren, was wiederum neue Situationen schafft, mit denen es umzugehen gilt).

Ich rede mir aber insgeheim ein, der Chef beim Schreiben zu sein, wenn da nicht immer das leise Lachen meiner Charaktere im Hintergrund wäre, dass das torpediert. * lacht *

Hydors Golem: Klasse! 😀

Bernar LeSton: Aber wir reden dabei über Kurzgeschichten, oder? Im Romanbereich ist das – wie du weißt – weniger möglich. Möglich, wenn auch nicht völlig unmöglich.

Hydors Golem: hm, eigentlich schon, man kann das über die Umstände und äußere Einflüsse etwas steuern – man kann da schon etwas biegen, muss aber aufpassen, dass man keinen Knick in die Geschichte kriegt.

Bernar LeSton: Ich erwische mich dann dabei, dass mir zu den unmöglichsten Momenten genau die Lösung einfällt, deren Problem mich lange nicht weitermachen ließ und dann alles wieder ins Rollen bringt.
Ja, man lernt ja auch da dazu und schwingt gegebenenfalls die Peitsche.* zwinkert *.
Schließlich muss die Geschichte in sich ja stimmig bleiben.

Hydors Golem: Ja, das stimmt, auch wenn man dann mal nicht da landet, wo man ursprünglich hin wollte.

Bernar LeSton: Aber vielleicht macht gerade das den Reiz des Schreibens aus, weil man nicht immer weiß, wo man landet, wenn man das Haus verlässt. Witzigerweise gibt es unzählige Autoren und ebenso viele Erfolgsrezepte, wie man gut schreibt, sodass jeder sein eigenes finden muss.

Hydors Golem: Das stimmt! Auch hier muss wohl jeder seinen eigenen Weg finden – aber das macht es gerade spannend. Zum Schluss noch eine Frage zum NaNoWriMo, an dem du ja schon des Öfteren teilgenommen hast, hast du da einen Rat für Anfänger? (Es dürfen auch mehrere sein 😉

Bernar LeSton: Ich nehme am NaNoWriMo seit 2010 teil und habe in den Jahren eigentlich drei Punkte für mich gefunden, die mir immer halfen, wenn es mal eng wurde:

  • Ich plane nie voraus und ergebe mich immer dem Flow, der sich beim Schreiben irgendwann – wie der tote Punkt beim Langlauf – einstellt und dann eine Menge Wörter wie von selbst produziert.
  • Ich höre nie auf den Inneren Kritiker.
  • Aber für den Anfang ist vielleicht der beste Rat, an sich selbst zu glauben und sich nicht allzu sklavisch an die Ratschläge anderer zu halten, weil jeder ja nur von sich aus spricht und das nicht für jedermann passt.

Ich höre mir an, was andere Autoren für sich gut finden, probiere manches aus, und wenn es hilft, behalte ich es einfach bei.

Hydors Golem: Das hört sich nach einem sehr guten Rat an. Für die Leser, die noch nicht wissen sollten, was der NaNoWriMo ist, wie würdest du ihn erklären?

Bernar LeSton: Es ist der Versuch innerhalb von 30 Tagen ein Romanmanuskript zu schreiben, dass mindestens 50 000 Wörter enthält. Aber besser und wesentlich genauer erklärt das sicherlich die offizielle Seite des NaNoWriMo, auf der sich Interessierte gerne umschauen können.

[Bernar hat netterweise noch ein Interview-Video zum NaNoWriMo bereitgestellt, das ich über den Bildern einbetten werde]

Hydors Golem: Nun das hört sich ambitioniert an, aber man muss das nicht ganz alleine ohne Unterstützung durchstehen, du bist Mitglied in einer RL-Schreibgruppe, die dazu Hilfe anbietet, wenn ich das richtig verstanden habe oder?

Bernar LeSton: Ja, wir treffen uns und schreiben da auch zusammen, aber jeder an seinem eigenen Projekt. Braucht aber jemand Hilfe, ist immer einer da, der mit einem Lösungsvorschlag zur Stelle ist. Diese Art Hilfe und Geschlossenheit macht den NaNoWriMo zu etwas ganz besonderem und beschränkt sich auch nicht auf reale Treffen. Im dazu gehörigen Forum finden sich immer Mitschreiber, die dasselbe anzubieten in der Lage sind.

Hydors Golem: Ah super, danke das mache ich. Hast du ein besonderes Projekt, das du während es NaNoWriMos angehen möchtest?

Bernar LeSton: nein, nicht wirklich. Die letzten Jahre habe ich mir immer eine kleine Nebenherausforderung gestellt, wie man ja in meinem Profil auf der NaNo-Seite sehen kann. Das war prima, aber in diesem Jahr mag ich einfach nur mal wieder einen ganz regulären NaNoWriMo schreiben.

So wie ich meine Vorlieben aber kenne, wird es sicher etwas aus dem weiten Feld der Phantastik.

Hydors Golem: Das hört sich spannend an. Vielen Dank für das interessante und ausführliche Interview und ich wünsche gutes Gelingen beim NaNoWriMo.

Bernar LeSton: Ich habe für die Einladung zu dem angenehmen Gespräch zu danken und drücke dir gleichsam die Daumen für dein diesjähriges November-Manuskript.

Und nun kommen die Videos und Bilder:

Bernar LeStons Lesung auf dem FdL:

Das Interview zum NaNoWriMo:

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