Das FdL 2015, die Interviews danach: Andrea Brücken

Heute habe ich jemand ganz Neues im Interview zum FdL 2015: Dea Curie alias Andrea Brücken. Auf dem FdL war sie direkt vor mir mit ihrem Programm Punkt an der Reihe. Wer schon mal selber eine Lesung hatte, weis, man ist dann in Gedanken bei seiner eigenen Lesung und nicht wirklich aufnahmefähig.

Also habe ich ganz dreist dieses Interview genutzt und mir die Sache mit den Doodles und Sketchnotes nochmal ganz genau erklären lassen 😉 – ich fand’s hochgradig spannend, viel Spaß beim Interview.

Hydors Golem: vielen Dank, dass du dich für die kleine Post FdL Interviewreihe interviewen lässt.

Andrea Brücken: Sehr gerne. Habe mich über deine Anfrage gefreut

Hydors Golem: Prima, wie gefällt es dir so im SL-Kreativdorf, du bis ja jetzt relativ neu hergezogen oder?

Andrea Brücken: Eigentlich bin ich nur Gast. Ich hatte Thorsten Küper (kueperpunk) relativ spät angesprochen, ob ich im Rahmen des FdL ausstellen kann.

Hydors Golem: ah ok. Nun ich bin hier selbst nur Untermieter 😉 – eine schöne Galerie hast du hier. Bei deiner Führung auf dem FdL viel das Wort Doodles. Was ist das genau? Ich war überrascht, als ich gleich im Anschluss bei meiner Lesung sofort als Doodler bezeichnet wurde 😉

Andrea Brücken: Verstehe. Doodles oder Doodling sind Begriffe aus Amerika. Eigentlich bezeichnen beide nur spontane, schnelle Kritzeleien sozusagen. Ähnlich wie dein Plan für die Welt aus deinem Roman, den du zu Beginn deiner Führung gezeigt hast.
Man zeichnet Sachen, anstatt sie mit Worten zu erklären.

Hydors Golem: ah ok. Ich mache das gerne, wenn es um die Umgebung meiner Geschichten geht, ein Bild sagt da mehr als tausend Worte. Und technische Dinge lassen sich so meistens schneller und anschaulicher erklären.

Benutzt du Doodles auch für abstraktere Dinge? Oder gibt es dann einen eher konkreten Anlass?

Andrea Brücken: Genau das ist der Sinn von Doodles. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Für abstraktere Inhalte kommt die Fortgeschrittenen-Variante zur Anwendung. Man nennt das „Sketchnotes“

Hydors Golem: ah ok was unterscheidet so eine Sketchnote von einem Doodle ?

Andrea Brücken: Sketch und Note ergibt: visuelle Notiz. Um diese zu erstellen, braucht man ein Basisvokabular in Bildern. Das übe ich in den Doodles. Man könnte sagen: Doodles sind Übungen und Fingerzeichnungen, Sketchnotes sind feiner ausgearbeitete visuelle Notizen auf Basis von Doodles.
Alles, was ich Doodle, kommt irgendwann in irgendeiner Form in meinen Sketchnotes vor.

Hydors Golem: ah ok. Erstellst due die Sketchnotes händisch mit Papier und Stift oder ehr am Rechner?

Andrea Brücken: Das ist total unterschiedlich und hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Händisch Arbeiten mit Stiften und Papier geht immer, wenn ich Zeit habe, mir zu überlegen, was ich zeichnen will. Wenn ich einen Auftrag von Kunden habe, die eine bestimmte Bild-Qualität für Webseiten, Publikationen oder Social Media wollen, muss ich mir überlegen, ob ich das nicht besser mit digitalen Mitteln abbilden kann

Also benutze ich auch Apps auf dem iPad und Software auf dem PC. Mit der Zeit fuchst man sich ein und findet passende Tools.

Hydors Golem: ah ok, du fertigst also auch Sketchnotes im Auftrag an. Ist es da schwierig eine gemeinsame Basis zu finden? Schließlich ist jeder Mensch etwas anders gestrickt, oder findet man da schnell eine gemeinsame Sprache?

Andrea Brücken: witzige Frage. Ich sehe das im Rahmen von Aufträgen professionell. Das heißt, dass ich herausfinden muss, was mein Kunde gerne als Ergebnis haben möchte.

Dafür stehen uns meist aber nur Sprachoptionen zur Verfügung. Beziehungsweise kommt hier meine Fähigkeit zum Doodeln zum Einsatz. Ich zeige dem Kunden meine Ideen visuell und visualisiere seine. So kommen wir dann Schritt für Schritt zum Ziel.

Ansonsten habe ich einen speziellen Stil, in dem ich Sketchnotes anfertige. Das mögen nicht alle – wichtig ist aber eigentlich nur, dass Leute die Informationen aufgreifen können, die in einer Sketchnote vermittelt werden (sollen).

Hydors Golem: ah ok, hast du ein Beispiel in der Ausstellung, an dem du das zeigen könntest?

Andrea Brücken: Sogar zwei, würde ich sagen. „Time for Buzz“ ist eine Erklärung zu einem bestimmten Kooperations-Prinzip. Die Website wurde genau nach dem TFB-Prinzip erstellt. Die Illustration dazu sollte das visuell zeigen.

Hydors Golem: Ah ok, ein kooperatives Gemeinschaftsprojekt – wie das Kreativdorf

Andrea Brücken: ja, genau.

Hydors Golem: Klasse, eine tolle Idee gemeinsam ist man stärker, zbw. kommt man weiter. Und in der Interaktion entstehen auch Ideen, auf die man alleine so nicht gekommen wäre.

Andrea Brücken: Das war der Sinn des Projektes. Und ich sollte das visualisieren. Natürlich ist es logischer, wenn man auch den Webseiten-Text dazu liest.

Die zweite Variante ist die „Nerdy Woman’s Bag“. Die Arbeit ist zwar selbst-refentiell – warum sollte man Leuten zeigen, was man in seiner Tasche mit sich herumträgt. Dies war Teil einer „Challenge“ der #todaysdoodle“-Community auf Twitter. Eigentlich auch eine Fingerübung – aber so kann man zeigen, was man in seiner Tasche hat. Das lässt sich auf verschiedene Kontexte übertragen.

Andererseits kann man auch eine Situation visualisieren wie in der Sylvester-Zeichnung mit den Aliens. Was wäre, wenn Aliens genau an Silvester auf die Erde kämen, um einen Shopping-Trip zu machen? Das ist natürlich Spaß …

Hydors Golem: hehe, ja aber eine sehr witzige Vorstellung – das wäre eine witzige Idee für eine Kurzgeschichte.

Andrea Brücken: ja, auf jeden Fall. Du siehst, mann kann auf diese Weise Ideen visualisieren. Ob sie realistisch sind oder nicht, ist dabei egal.

Hydors Golem: nun ich bin Science-Fiction Autor, da ist der Horizont etwas weiter gesteckt.

Andrea Brücken: Das stimmt. Deshalb hast du ja deine Romanwelt gedoodelt. 😉

Hydors Golem: ja klasse Beispiele, die gefallen mir gut, beim Inhalt der Handtasche könnte man die Idee etwas weiter spinnen, so ein kleines schwarzes Loch oder ein Tor zu einer größeren Abstellkammer z.B. 😉

Andrea Brücken: Wichtig ist eigentlich, dass man versteht: visuelle Notizen können eben Ideen veranschaulichen. Auf eine Art und Weise, die irgendwie jeder versteht. Damit öffnet man neue Kommunikationswege zu Menschen, mit denen man sich in Worten nicht so gut verständigen könnte.

Worte haben Grenzen, würde ich mal behaupten. Bilder aber nicht.

Hydors Golem: Ja das stimmt. Die „Nerdy Women’s Bag“ würde so auch direkt in China oder an jedem anderen Ort verstanden werden, an dem man/frau eine Tasche benutzt.

Andrea Brücken: genau. Man kann damit – also mit visuellen Notizen – tatsächlich auch kulturelle Unterschiede überbrücken.

Hydors Golem: Das ja z. B. bei Piktogrammen viel und gerne benutzt wird.

Andrea Brücken: Und wir sehen die jeden Tag überall, ohne genau darauf zu achten.

Hydors Golem: Ja man ist sich dessen nur nicht so bewusst.

Andrea Brücken: Dabei leiten und führen uns Piktogramme und Icons überall. Früher war es nur das Stopp-Schild und das für die Überquerung des Zebrastreifens. Heute finden wir diese visuellen Zeichen überall um uns herum.

Die Herausforderung im Sinne der Doodlerevolution ist eindeutig: erweitere dein visuelles Vokabular, lerne, visuell zu kommunizieren.

Damit können Menschen ganz neue Kommunikationswege eröffnen.

Hydors Golem: ah ok ja das stimmt, obwohl die uralten Höhlenmalereien auch Doodles und Sketches sind. Die erklären, wie man in der Steinzeit gelebt hat und was es dort für Tiere gab. Und das über eine lange Zeit hinweg – die Sprache, die damask gesprochen wurde, kann keiner mehr 😉

Andrea Brücken: Das ist ja das Faszinierende: Diese Zeichnungen versteht man doch heute trotzdem noch. Während man an der Entschlüsselung von alten verbalen Sprache in diversen Forschungsprojekten herum arbeitet.

Ich will nicht behaupten, dass visuelle Informationen zu hundert Prozent „funktionieren“ – aber sie stellen halt eine Art der Kommunikation dar, die universell im Grunde verständlich ist.
Es ist schlicht unlogisch, dass sich die Menschheit in den vergangenen 2000 Jahren „nur“ auf Sprache ausgerichtet hat. In Zusammenarbeit mit visueller Kommunikation könnten wir die globale Kultur sehr bereichern.

Hydors Golem: Das stimmt – prima vielen Dank für den Einblick in die Welt der visuellen Kommunikation, das war sehr spannend. Was hat es mit den Collagen auf sich? Ist das eine höhere Stufe von Sketchen?

Andrea Brücken: nein, überhaupt nicht. Die Collagen habe ich entdeckt beim Surfen im Web. Und das hat mich sofort interessiert. Meine fertige ich ja zum Teil outworld an, mit Klebestift und Schere. Collagen haben mich sofort interessiert, damit wollte ich arbeiten.

Hydors Golem: ah da kommt jetzt also die Künstlerin durch 🙂

Andrea Brücken: Ja, das ist wohl der Bereich, in dem ich mich als Künstlerin sehe.

Hydors Golem: Ja prima hast du ein Werk, das du uns zeigen möchtest?

Andrea Brücken: aber klar. Ich liebe dieses hier. Der Titel ist „Flirting“. Vier Stunden Arbeit, und es ist einfach grandios geworden, weil es so viel ausdrückt aus meiner Sicht.

Hydors Golem: Ah das muss ich erst etwas wirken lassen. Ein moderner Scherenschnitt – mit klassischen Figuren, aber modernen Akzenten.

Andrea Brücken: Teile davon sind händisch gefertigt, eingescannt und dann digital zusammengeführt. Dieses hier ist aber auch schön. Eine meiner ersten Arbeiten: „To Flow or not to Flow“. Das habe ich auf einem Flipchart erstellt. Und die „Heroes in Jeans“ sind auch mein Liebling.

Hydors Golem: Das war quasi der Übergang von einem Doodel zu einer Collage? „To Flow or not to Flow“ – meine ich.

Andrea Brücken: Ja, könnte man sagen. Heroes in Jeans ist eine sehr komplizierte Collage, zum Teil real gebaut, zum Teil digital. Es war mir an einem bestimmten Punkt im kreativen Prozess sehr wichtig, mich auszuleben, sozusagen. Und nicht mehr nur im Sinne von „Sketchnote-Botschaften“ zu arbeiten. Daher habe ich mit den Collagen angefangen. Sie erlauben mir, versteckte Botschaften auf künstlerischem Wege anzubieten.

Hydors Golem: Was bedeuten die Jeans für die einzelnen Superhelden? Die Jeans von Flash Gordon hätte ich eher an Ben Grimm vermutet, oder spiegelt das Model eher den Karakter wieder?

Andrea Brücken: Bei „Heroes in Jeans“ geht es vor allem um die unsägliche Fernsehkultur, in der jedermann zum Helden stilisiert wird, weil er oder sie tanzen oder singen kann. Unsere Vorbilder sind die Comic-Helden, die Jeans zeigen, dass inzwischen jedeR einE AlltagsheldIn sein kann.

— An dieser Stelle hatten wir netten Besuch von Miara Lubitsch und es wurde kurz etwas unter Nachbarn geplaudert —

Andrea Brücken: Das ist eine der besten Sachen auf der Kreativdorf-SIM: Leute gucken vorbei und helfen einem, sich zurechtzufinden. Tolle Community

Hydors Golem: ja das ist klasse hier, ich bin etwas ab vom Schuss in der Hünensphäre, aber es sind ja regelmäßig Events, wie z.b. die Schreibgruppe, die lasse ich mir nicht entgehen.

Kommen wir zum FdL, anderthalb Stunden sind im Flug vergangen 🙂 Wie hat dir das FdL gefallen und hattest du Gelegenheit dir die anderen Punkte anzusehen?

Andrea Brücken: Das FdL war einfach großartig. Ich hatte im Vorfeld Bedenken, dass aus RG importierte Kunst nicht gut ankommen würde – das Gegenteil war der Fall. Und dann die tollen Installationen, Lesungen und Bühnenbilder. Für mich war es ein großartiges Wochenende.

Hydors Golem: Ja das fand ich auch.

Andrea Brücken: Wenn du verlinken willst auf mein Profil im Blogartikel, dann bitte auf http://digiheads.de/andrea-bruecken-creativity . Meine andere Website ist gerade im Umbau. Ich finde es sehr wunderbar, dass du so intensiv bloggst, auch die anderen hier, tolle Community.

Hydors Golem: Ja prima, ich denke, das war ein guter Schlusssatz für den offiziellen Teil des Interviews. Ich speicher den mal schnell ab 😉

Und nun gibt es noch ein paar Bilder zum Interview:

Snapshot_001 Snapshot_002 Snapshot_003 Snapshot_004 Snapshot_005 Snapshot_006 Snapshot_007 Snapshot_008 Snapshot_009 Snapshot_010 Snapshot_011 Snapshot_012 Snapshot_013

 

Dieser Beitrag wurde unter Interview, Virtuelle Welten abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.